N. Fritz u.a. (Hrsg.): Katholische Filmarbeit

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Titel
Nur für reife Erwachsene. Katholische Filmarbeit in der Schweiz


Herausgeber
Fritz, Natalie; Charles, Martig; Fabian, Perlini-Pfister
Erschienen
Zürich 2011: Theologischer Verlag Zürich
Anzahl Seiten
178 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
christian kuchler, münchen

Das Spannungsverhältnis zwischen dem künstlerisch-kommerziellen Kino und der katholischen Kirche ist in den zurückliegenden Jahren international zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung geworden. Stellvertretend dafür eine regionale Studie: Daniel Polreich, Die katholische Filmarbeit im Bistum Münster, Münster 2007. Häufig lag der Fokus dabei auf Protest- und Zensuraufrufen (Peter Lersch, In the name of public order and morality. Cinema control and film censorship in Luxembourg 1895–2005, Luxemburg 2005), es finden sich aber – jüngst auch für die Schweiz (Adrian Gerber, «Eine gediegene Aufklärung und Führung in dieser Materie »: Katholische Filmarbeit in der Schweiz 1908–1972, Fribourg 2010) – grundsätzliche Studien, die die kirchlichen Bemühungen um das Filmwesen nicht nur auf skandalträchtige Einzelfälle reduzieren, sondern die Arbeit der konfessionellen Stellen auf einer umfangreicheren Basis beleuchten und in einen wissenschaftlichen Kontext einbinden. Dem letzteren Ansatz fühlt sich die Publikation «Nur für reife Erwachsene» verpflichtet. Bewusst für einen grösseren Leserkreis konzipiert, versucht der Band, systematische Zugriffe auf das Thema ebenso abzubilden wie singuläre Einzelfälle zu schildern. Sechs Kapitel gliedern den Sammelband. Zunächst verortet Fabian Perlini-Pfister die Entstehung der katholischen Filmarbeit in der Schweiz im grossen konfessionsgeschichtlichen Kontext. Aufbauend auf den Studien von Urs Altermatt zeichnet er die ersten Jahre katholischen Filmengagements bis 1941 nach. Die Entwicklungen verliefen ähnlich zu anderen europäischen Ländern. Erste Impulse einer positiven Aufnahme des jungen Mediums standen Bedenken von Seiten des Bildungsbürgertums entgegen.

Nach dem US-Vorbild der «Legion of Decency» und der päpstlichen Enzyklika «Vigilanti Cura» richtete man das Filmbüro des SKVV ein, es kam zur Reorganisation der Arbeit und erste Zeitschriften entstanden. Besonders im Vergleich zur nationalsozialistisch geprägten Situation des Filmwesens in Deutschland lässt sich für die Schweiz also von einem sehr breiten Engagement sprechen. Vor allem in der Abgrenzung zum grossen Nachbarstaat sieht Perlini-Pfister denn auch die Funktion der katholischen Filmarbeit während des Zweiten Weltkrieges. «Der Filmbeobachter», katholisches Rezensionsorgan ab 1941, habe nachhaltig zur «katholischen Identitätsstiftung» in der Schweiz beigetragen. Er sollte seine konfessionellen Leser während des Krieges nicht zuletzt über propagandistische Produktionen aufklären. Besonders skeptisch begegnete man in dieser Hinsicht sowjetischen Filmen. Dass aber auch Leinwanddarbietungen aus Deutschland «mit großer Vorsicht» (61) entgegnet wurde, bestätigen Befunde zur katholischen Filmarbeit in Deutschland während des «Dritten Reiches», die ebenfalls vor allem gegen Produktionen wie «Jugend» (1938) und «Ich klage an» (1941) gerichtet waren.

Den Überblick über die institutionelle Entwicklung schliesst Adrian Gerber mit einer Darstellung der Filmarbeit bis in die 1970er Jahre ab, die sich vornehmlich auf seine bisherigen Forschungen stützt.

Unter dem provokanten Titel «Heiße Schenkel, kühle Köpfe» legt zudem Natalie Fritz einen Beitrag vor, der sich mit dem Wandel moralischer Ansprüche der katholischen Filmexperten beschäftigt. Dabei arbeitet sie heraus, dass sich in der Schweiz die reformierte Filmarbeit von der derjenigen der katholischen Kirche bei der Bewertung der Sexfilmwelle vornehmlich der Siebzigerjahre kaum unterschied.

Der gesamte Band, der im Umfang und wissenschaftlichen Anspruch seiner einzelnen Beiträge ausgesprochen heterogen ist, stellt dennoch eine sinnvolle Gesamtschau auf die katholischen Bemühungen um das kommerzielle Filmwesen dar. Zu bedauern ist allerdings, dass aktuelle Forschungstendenzen, etwa bei der Beschäftigung mit den Aufklärungs- und Sexfilmen, nicht einbezogen werden.

Unzweifelhaft das Glanzlicht des Bandes ist hingegen der Abdruck der persönlichen Widmungen, die Filmstars wie Alfred Hitchcock oder Fernandel im Autogrammbuch von Pater Charles Reinert, des langjährigen, exponierten Protagonisten der katholischen Filmarbeit in der Schweiz, eintrugen. Ihre zum Teil sehr persönlichen Beiträge belegen anschaulich, wie eng das Verhältnis der katholischen Kirche zum Kino im 20. Jahrhundert sein konnte.

Zitierweise:
Christian Kuchler: Rezension zu: Natalie Fritz/Charles Martig/Fabian Perlini-Pfister (Hg.), Nur für reife Erwachsene. Katholische Filmarbeit in der Schweiz, Zürich, TVZ, 2011. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 106, 2012, S. 726-727.

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